2018

Die „Ertüchtigungsinitiative“ der Bundesregierung

Veranstaltung der DWT am 7. März 2018 in Berlin

Mit dem Begriff „Ertüchtigung“ verbinden viele Zeitgenossen eine sportliche Betätigung oder auch Infrastrukturmaßnahmen. Dass dieser Begriff auch ein sicherheitspolitisches Instrument der Bundesregierung benennt, wissen viele nicht. Die Erkenntnis führte zu der Entscheidung, das Thema am 7. März 2018 auf die Tagesordnung der Frühjahrsveranstaltung aus der DWT-Reihe „Gespräch wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit Experten“ zu setzten. Besonders rege Beteiligung aus Abgeordnetenbüros fast aller Fraktionen bestätigte die Relevanz des Themas.

Die Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung besteht seit 2016. Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt setzt das Verteidigungsministerium die von der Bundesregierung beschlossene Ertüchtigungsinitiative um. Daher war es auch nur folgerichtig, dass auch Experten aus beiden Häusern sich den Fragen der Teilnehmer stellten. Dr. Ferdinand von Weyhe aus dem Auswärtigen Amt, Referat S 03, dem die Aufgaben Krisenprävention, Stabilisierung und Konfliktnachsorge zugeordnet sind, und Fregattenkapitän Jens von Rauchhaupt aus dem Bundesministerium der Verteidigung, Referat Politik II 3, das alle Aktivitäten des Bundesverteidigungsministeriums zur Ertüchtigungsinitiative koordiniert und steuert, erläuterten umfassend und sehr kompetent die mit dieser Initiative verbundenen Ziele, Hintergründe und Maßnahmen.

Auf vielfachen Wunsch werden im Folgenden Einzelheiten dargestellt:

Übergeordnetes Ziel der Ertüchtigungsinitiative ist es, Partner so zu unterstützen, dass sie unter Beachtung menschenrechtlicher und rechtsstaatlicher Standards eigene Krisenprävention und Krisenbewältigung betreiben können. Im Fokus stehen Länder, die von Krieg und Unruhen bedroht sind. Dabei steht insbesondere die Stärkung des Sicherheitssektors in den ausgewählten Partnerländern im Fokus. Außerdem können Ertüchtigungsmaßnahmen EU- und VN-geführte Missionen flankieren.

Für die Finanzierung der Ertüchtigungsinitiative hat die Bundesregierung 2016 insgesamt 100 Millionen Euro bereitgestellt. 2017 sind es im Einzelplan 60 des Bundesfinanzministeriums 130 Millionen Euro. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für Verteidigung teilen sich gleichermaßen Verantwortung und Zuständigkeit. Beide Ressorts stimmen sich über Projekte ab und haben eine gemeinsame Budgetverantwortung. Die Ertüchtigungsinitiative bündelt alle bisherigen Erkenntnisse, die in den vergangenen Jahren im Bereich des Krisenengagements gewonnen wurden. Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr leisten hierzu durch Ausbildung, Beratung und Ausstattungshilfe einen wichtigen Beitrag sowohl bei Regionalorganisationen als auch bei den ausgewählten Partnerstaaten.

Grundsätzlich geht es bei der Ertüchtigungsinitiative um Hilfe zur Selbsthilfe. Dahinter steckt die Überzeugung, dass lokale Akteure Konflikte vor Ort besser lösen können als Staaten oder Bündnisse, die von außen einwirken. Oft fehlen den regionalen Partnern jedoch Mittel und Möglichkeiten, sich zu engagieren. Es geht also darum, den lokalen Partner in die Lage zu versetzen, selbst für seine eigene und regionale Sicherheit zu sorgen. Ein allgemeingültiges Rezept gibt es dabei allerdings nicht. Jede Situation erfordert eine individuelle Analyse. Hierfür bietet die Ertüchtigungsinitiative eine breite Palette von Möglichkeiten. Neben Beratung, Ausbildung und Unterstützung ist auch militärische Ausstattungshilfe möglich. Die Ertüchtigungsinitiative bündelt alle bisherigen Erkenntnisse, die in den vergangenen Jahren im Bereich des Krisenengagements gewonnen wurden. Ihr großes Plus: Projekte können schnell und flexibel realisiert werden.

Die meisten Projekte laufen in den fünf Schwerpunktländern der Initiative: Irak, Jordanien, Tunesien, Mali und Nigeria. Die Förderung und Unterstützung dieser Länder ist verbunden mit dem Ziel, dass die Stabilität in die Region sich positiv beziehungsweise dass sich die Instabilität der Nachbarn dieser Länder nicht negativ auf die Schwerpunktländer auswirkt. Darüber hinaus gibt es Einzelprojekte beispielsweise mit den Vereinten Nationen und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS (Economic Community of West African States). Alle Projekte sind klar und detailliert beschrieben und in ihrer Zielsetzung genau definiert.

Dass die Projekte gut ankommen und die Hilfe zur Selbsthilfe auf fruchtbaren Boden fällt beweist das Feedback der lokalen Partner, das durchwegs sehr positiv ist. Zum einen fühlen sich lokale Akteure als „Partner auf Augenhöhe“ wahrgenommen. Zum anderen stellen sich schnell Erfolgserlebnisse ein, denn der Projekterfolg liegt in beidseitigem Interesse.

Als Projektbeispiele sind zu nennen: Der Bau von zwei Munitionsbunker in Mali, um eine sichere Lagerung der Munition zu gewährleisten und damit die Einsatzfähigkeit der malischen Streitkräfte zu erhöhen. Sensorgestützte, mobile Grenzsicherungsanlagen in Tunesien an der Grenze zu Libyen, die mehr Sicherheit vor unberechtigtem Grenzübertritt z. B. durch IS-Kämpfer und Rückkehrer aus dem Irak und Syrien ermöglichen sollen. Hier erfolgt zudem eine Kooperation und Koordination mit den USA, die Tunesien im Bereich der Grenzsicherung ebenfalls unterstützen. In Nigeria geht es insbesondere im Norden des Landes um Unterstützung im Kampf gegen die Terrormiliz Boko Haram. Zu diesem Zweck werden mobile Bodenradarsysteme geliefert, mit deren Hilfe die nigerianischen Streitkräfte bessere Aufklärungsergebnisse erzielen können. Niger erhält im Rahmen eines Logistikprojekts mehr als 80 Lkw in unterschiedlichen Größen, damit die Truppen des Landes für die Aufgabe der Grenzsicherung mobil sind. Mit der Lieferung der Fahrzeuge endet das Projekt jedoch nicht, sondern die Soldaten werden auch ausgebildet, damit sie in der Lage sind, die Fahrzeuge zu reparieren und instand zu halten. Nachhaltige Unterstützung - das ist hier das Schlagwort. Jordanien erhält 50 Schützenpanzer Marder für die Grenzsicherung. Neben den Panzern erhält das arabische Land unter anderem auch 70 Lastwagen und 56 Kleinbusse. Im Irak verfolgt Deutschland die Schwerpunkte Unterstützung der kurdischen Peschmerga durch Ausbildung und Ausrüstung, Stabilisierung der wieder gewonnenen Gebiete durch Unterstützung des Wiederaufbaus, der Stabilisierung aber auch der Versöhnung zwischen den unterschiedlichen Parteien, Unterstützung sowohl der Kurden als auch der Zentralregierung, Hilfe für die irakische Zentralregierung bei der Säuberung der zurückeroberten Gebiete von Minen.

Die Nähe der Partner vor Ort ist der entscheidende Faktor für die Erfolgskontrolle der Projekte: Das Feedback erfolgt unmittelbar. Die deutsche Botschaft, deutsche Einsatzkontingente, militärische Berater oder Verbindungsoffiziere haben ein klares Bild der Situation vor Ort.

Mit der Ertüchtigungsinitiative und vergleichbaren Projekten anderer Länder wollen Deutschland und seine Partner u. a. die Wirksamkeit der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU erhöhen.