2018

Computer Vision - Entwicklung einer Teildisziplin der Künstlichen Intelligenz

Veranstaltung der Sektion Nürnberg am 26. April 2018

Herr Dr. Arens ging zu Beginn seines Vortrags auf die ersten Ansätze für maschinelles Sehen ein, die von führenden, überwiegend amerikanischen Wissenschaftlern bereits Mitte der 1950er Jahre skizziert worden waren. Im Lichte der seinerzeit noch rudimentären Computer-Technologie seien die visionären Gedanken und damaligen Konzepte selbst heute noch absolut verblüffend. So sind einige der Ideen Wirklichkeit geworden, einige andere noch nicht realisiert. Dabei gab es in den letzten gut 60 Jahren Phasen von beträchtlichen Fortschritten in der Prozessorleistung und Bildauswertealgorithmen, aber auch von vorübergehend nachlassendem Interesse aus welchen Gründen auch immer. Ein exponentielles, quasi explosionsartiges Wachstum bei der Anwendung von Computer Vision ist seit 2010 zu verzeichnen. Zurückzuführen ist dieses Phänomen auf die starke Ausbreitung des Internets und damit die umfassende Verfügbarkeit von annotiertem Bildmaterial, so wie es für die technische Bildauswertung als Referenz benötigt wird. Man sei heute bei einer geringen Fehlerrate, im einstelligen Prozentbereich, in der Lage, bei zum Beispiel mehr als 500 Hunderassen zuverlässig die richtige Rasse zu erkennen, selbst wenn das Tier nahezu verdeckt ist und aus unterschiedlichen Posen aufgenommen wurde.

Intelligente Videoüberwachung und das Durchsuchen von Bild- und Videodaten sind zentrale Herausforderungen aktueller Forschung. Allen gemeinsam ist die zugrundeliegende Fähigkeit, Bild- und Videodaten semantisch zu behandeln und zu verstehen. Die „Computer-Vision“ findet zunehmend auch Anwendung im militärischen Umfeld. Durch das Aufkommen asymmetrischer Bedrohungsszenarien wuchs der Personenerfassung besondere Bedeutung zu, beispielsweise in den Bereichen Feldlagerschutz, Konvoischutz und Zufahrtskontrollen. Um hier technologisch urteilsfähig zu sein und insbesondere auf spezifische militärische Anforderungen eingehen zu können, wurden im FhG-IOSB umfangreiche Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Personenerfassung durchgeführt. Eine Aufgabe bei der bildfolgenbasierten Situationserkennung besteht in der robusten Objektdetektion mittels lernenden Ansätzen gepaart mit entsprechendem Training. Neben der Detektion einer Person ist es möglich, sogar Aussagen über die Position einzelner Körperteile im Bild zu treffen, die vom gemeinsamen Auftreten visueller Merkmale im Einzelbild, aus dem Echtzeitdatenstrom abgeleitet werden können.

Besonders bedeutend für die Bundeswehr sind die Arbeiten auf den Gebieten der vernetzten, interoperablen Echtzeitauswertung von Videobildfolgen, von bildbasierten Verfahren für die Objektverfolgung und Zielkoordinatenübergabe sowie für die Generierung von Gelände- und Gebäudemodellen. Die Genauigkeit der Zielortung und die Reaktionszeit zwischen Aufklärung und Zerschlagen eines Zieles stellen seit jeher Herausforderungen dar. Speziell bei verzahnten Gefechten und/oder in komplex strukturierten Einsatzgebieten kann es sich als außerordentlich schwierig erweisen, das Ziel zweifelsfrei und genau zu lokalisieren sowie die nachfolgende Waffenwirkung ins feindliche Ziel und nur dorthinein zu projizieren.

Bei der „Digitalisierung von Landoperationen" im Kontext "Deutsches Heer 4.0“ ist „Sensor to Shooter“ (S2S) eine der Kernfunktionalitäten. Dabei werden die Aufklärungs-, Zieldatenzuweisungs- und Effektorensysteme durch einen gemeinsamen „Bildsprachestandard“ verbunden. Diese Bildsprache ermöglicht eine einheitliche, fehlerminimierte und äußerst schnelle Bild- sowie Zieldatenkommunikation. Diese Fähigkeit ist ein Quantensprung nicht nur hinsichtlich der Genauigkeit und Zuverlässigkeit in der Zielortung, sondern auch hinsichtlich einer deutlichen Verringerung der Reaktionszeiten beim Einsatz von Flugkörpern mit elektro-optischen Zielsuchköpfen.

Im Anschluss an den Vortrag von Dr. Arens nutzten die zahlreichen Teilnehmer die Gelegenheit, das S2S-Potential auf einem Experimentalträger, ein voll-digitalisiertes Gefechtsfahrzeug der Firma Diehl Defence, live zu erleben.