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Forschung in der Verteidigungswirtschaft - Chancen und Risiken für Unternehmen

Eine Veranstaltung des AKM durchgeführt von der SGW

Forschung ist ein wichtiger Baustein der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland. Die Erkenntnisse aus Grundlagenforschung und die Erforschung von neuem Einsatzmaterial können strategische Vorteile, bestenfalls sogar Überlegenheit im Einsatz der Bundeswehr schaffen. Mit diesem Verständnis trafen am 18. Juni 2019 rund 70 Teilnehmer im Maritim Hotel in Bonn zusammen, um zu diskutieren und zu überlegen, wie Forschung im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich optimal organisiert und durchgeführt werden kann.

Die Nachfrage der Bundeswehr nach der Durchführung von Forschungsvorhaben ist beachtlich. Ein Überblick über den Haushaltsvollzug des BMVg zeigt, dass in den Jahren 2010 bis 2018 jährlich zwischen 829 Mio. und 1,1 Mrd. EUR für den Bereich Forschung, Entwicklung, Erprobung (FEE), einschließlich der Ausgaben für Forschungs- und Entwicklungsaufträge an Bundesforschungsanstalten sowie an Universitäten der Bundeswehr verausgabt wurden.

Damit ist der Bereich FEE für Forschungsinstitute und forschende Unternehmen ein interessantes Geschäftsfeld. Wenn die Bundeswehr nicht lediglich bundeseigene Forschungsanstalten finanziert, vergibt sie entweder Zuwendungen oder öffentliche Aufträge. Rechtsgrundlage sind hier insbesondere die Bundeshaushaltsordnung und die vergaberechtlichen Regelungen, wie Herr Dr. Clemens Holtmann (Kanzlei Redeker Sellner Dahs) und der Autor dieses Beitrags verdeutlichten. Forschungsaufträge oder Zuwendungen können insbesondere solche Unternehmen und Einrichtungen erwarten, die den heutigen, aber auch den zukünftigen Bedarf der Bundeswehr besonders gut decken. Als Informationsquelle, um den Bedarf der Bundeswehr zu analysieren - das machte Herr Ministerialrat Gerhard Coors (Referatsleiter BMVg A II 5) deutlich - eignen sich insbesondere das Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr aus dem Jahr 2016, das Konzept des BMVg zur Stärkung des wehrtechnischen Mittelstands aus dem Jahr 2016 und die Konzeption der Bundeswehr aus dem Jahr 2018.

Neben die Bundeswehr wird künftig als weiterer Finanzierer von Forschungsvorhaben die Europäische Kommission bzw. der von ihr gegründete Verteidigungsfonds treten. Die EU hat für die Jahre 2021-2027 rund 4,1 Mrd. EUR für Forschung und 8,9 Mrd. EUR für Entwicklung eingeplant, wobei die Entwicklung von einer Kofinanzierung durch die Mitgliedstaaten abhängt. Frau Sylvia Kainz-Huber von der EU-Kommission veranschaulichte, dass der Fonds vor allem die Themengebiete „Autonomous positioning, navigation and timing”, „Artificial Intelligence (AI) for defence”, „Quantum technologies for defence applications”, „Long range effects” und „Augmenting soldier capacity” fördern soll. Der Fonds wird im Rahmen von Calls Zuwendungen vergeben; die ersten Calls sind bereits veröffentlicht worden.

Auf internationaler Ebene im Bereich Forschung spielt auch die NATO eine Rolle. Herr Dr. Ulf Ehlert, NATO Science & Technology Organization (STO), berichtete, dass die NATO im Rahmen der STO und der NATO Industrial Advisory Group (NIAG) die Mitgliedstaaten zu Forschungsthemen zusammenbringt und sie bei der Durchführung von Forschungsvorhaben berät. Als eigener Nachfrager von Forschungsaufträgen tritt sie nur selten auf dem Markt auf.

Die staatlichen Stellen - das zeigte die Analyse von Dr. René Bantes (Fraunhofer Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen) - begegnen einer diversifizierten Unternehmenslandschaft, die gleichwohl durch Großunternehmen geprägt wird. Der Markt für die Verteidigungsforschung weist erhebliche Besonderheiten auf. Dazu gehören insbesondere die weitreichende Regulierung, die Anforderung, Ersatzteile lange vorzuhalten (Versorgungssicherheit), und die Tatsache, dass die Wertschöpfung i. d. R. nicht über Stückzahlen gehoben wird. Die Herausforderungen der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Herr Gerd Hexels von der Firma Hexonia und Herr Dr. Norman Herzig, Geschäftsführer der Nordmetall GmbH, an diesem Tage zusammenfassten, liegen vor allem in den langen Anbahnungszeiten für Aufträge und den politischen Unwägbarkeiten. Das Einkaufsverhalten der Bundeswehr wirkt sich so unmittelbar auf die Existenz, insbesondere von kleinen und mittelständigen Unternehmen aus, die sich auf die Forschung im Bereich Verteidigung spezialisiert haben. Je besser die Bundeswehr ihre Vorhaben plant und an die relevanten Anbieter im Markt kommuniziert und je effizienter sie ihre Vorhaben umsetzt (z. B. bei der Durchführung von Vergabeverfahren), desto mehr Stabilität verleiht sie den Unternehmen, die sich auf die Nachfrage einstellen können. Abweichungen von Zeitplänen gefährden Unternehmen und können sich damit negativ auf das für die Bundeswehr relevante Angebot auswirken. Das ist eine wichtige Lehre aus dem Jahre 2016, in der die Forschungsausgaben relativ überraschend abgesenkt wurden und sich die Vergabe von Aufträgen verzögerte.

Forschung ist geistige Arbeit. Die Referate von Frau Kerstin Frischbier (Referentin BMVg A I 3) und Herrn Dr. Thorsten Troge (Taylor Wessing Partnergesellschaft mbB) verdeutlichten, dass sich Auftraggeber und -nehmer zunächst über die Bedingungen zur Nutzung von geistigen Eigentum einigen müssen, bevor sie Forschungsverträge eingehen können. Die Bundeswehr strebt in der Regel Nutzungsbedingungen nach den von ihr aufgestellten Allgemeinen Bedingungen für Forschungsverträge mit Industriefirmen (ABFI) an. Diese können auf der Homepage des BAAINBw frei heruntergeladen werden. Allerdings zeigen die Einwürfe einiger Vertreter der Industrie die Grenzen dieser Regeln, wenn es darum geht, die Interessen von Auftraggebern und -nehmern angemessen zu berücksichtigen. Probleme ergeben sich insbesondere dann, wenn Auftragnehmer eigenes Wissen in den Forschungsauftrag  einbringen (Stichwort: Altrechte). In der Praxis bedarf es dann langwieriger Verhandlungen zwischen beiden Parteien, welches Know-how vom Auftragnehmer eingebracht wird und wie es definiert und geschützt werden kann.

Abgerundet wurde der Tag durch einen Erfahrungsbericht von Herrn Tobias Wiemers (Universität der Bundeswehr München) über die Zusammenarbeit zwischen der Universität der Bundeswehr und der Wirtschaft. Im Wissenschaftlichen Kontext stand auch der Vortrag von Herrn Karl-Heinz Gimmler (Kanzlei Gimmler), der sich mit der Rechtmäßigkeit von Friedens- oder Zivilklauseln befasst. Diese Klauseln haben einige Universitäten erlassen, um die Forschung im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich einzuschränken. Herr Gimmler verdeutlicht, dass verteidigungs- und sicherheitsrelevante Forschung kritisch diskutiert werden kann, aber letztendlich für den Erhalt der Verteidigungsbereitschaft notwendig ist und deshalb zugelassen werden muss.

Als Ergebnis dieser gelungenen Veranstaltung lässt sich festhalten, dass Forschung in der Verteidigungswirtschaft auch zukünftig ein relevantes Themengebiet bleiben wird. Der ständige Austausch zwischen den unterschiedlichen Stakeholdern ist entscheidend, um Probleme in der Anbahnung und Abwicklung von Forschungsvorhaben zu überwinden.