2018

Jahrestagung und Jahresempfang 2018

Traditionsgemäß fand im Anschluss an die Mitgliederversammlung die Jahrestagung mit dem Jahresempfang 2018 am 08.05.2018 im Hotel Maritim in Bonn statt.

Die Jahrestagung stand im Zeichen der europäischen Zusammenarbeit unter dem Titel:
Multinationalität und Integration als Bestimmungsgrößen für Bundeswehr und Verteidigungswirtschaft -Erfahrungen der Nutzerebene in der internationalen Zusammenarbeit.

Für die Einordung es Themas hatte der Präsident in seiner Einladung auf das Weißbuch 2016 verwiesen: „Für die Gestaltung der Verteidigungs- und Militärpolitik muss die Bundeswehr über ein umfangreiches bi- und multilaterales Instrumentarium verfügen, das kohärent anzuwenden und kontinuierlich auf seine Weiterentwicklung zu überprüfen ist. Multinationalität und Integration werden insbesondere auch in Strukturen, Einsätzen, langfristiger gemeinsamer multinationaler Fähigkeitsentwicklung und weiteren Kooperationsformen sowie in der Rüstungspolitik umgesetzt.“ (Weißbuch 2016 S. 96).  Dieses zunächst sehr abstrakte Ziel wurde in der diesjährigen Jahrestagung mit Kurzvorträgen und einer Podiumsdiskussion mit erfahrenen Verantwortungsträgern beleuchtet, die Multinationalität aus der Praxis kennen und ihre Eindrücke und Erfahrungen aus der internationalen Zusammenarbeit schilderten und mit Teilnehmern der Tagung diskutierten.

Die Gesprächsleitung hatte der DWT-Vorstandsvorsitzenden General a. D. Rainer Schuwirth übernommen, der in seiner Einführung zunächst erläuterte, dass trotz unterschiedlicher Strukturen und Mitglieder von EU und NATO die Zielsetzungen, Verfahren und Rahmenbedingungen beider Organisationen in militärischer Hinsicht sehr ähnlich und in vielen Dokumenten auf hoher doktrinärer Ebene beschrieben sind und dass es heute um Eindrücke aus der Umsetzungsebene der internationalen Zusammenarbeit geht. Anschließend stellte er die Referenten vor: Oberst Johannes Stamm, Stv. Kommandeur Flugbereitschaft der Bundeswehr, Oberstleutnant Christoph Huber, Kommandeur Panzergrenadierbataillon 122 und Frank Boller, Vice President Military Programs Fa. Grob Aircraft S.E. Sie verfügen als militärische Führer eines Verbandes, eines Gefechtsverbandes im Einsatz, in multinationalen Stäben oder vergleichbar bzw. in der Ebene Kundenbetreuung über reiche Erfahrung in der Multinationalität, Interoperabilität und Standardisierung, Ausbildung, Ausrüstung und entsprechender Logistik.

Als erster trug Oberst Stamm zum Lufttransport vor und führte aus, dass Lufttransport immer im Einsatz ist und entsprechend unterschiedlicher Anforderungen über ein breites Fähigkeitsprofil von Personen- und Material-, wie auch Verwundetentransport sowie Mittel zur Luftbetankung verfügt. Dieses ergibt sich insbesondere über die europäische Zusammenarbeit, die eine Aufgabenteilung erlaubt und es besser als im nationalen Rahmen ermöglicht, spezifische Fähigkeiten effektiv und effizient einzusetzen. Als Beispiele erläuterte er das Europäische Lufttransportkommando (EATC), die deutsch-französische Lufttransportkooperation mit der Aufstellung eines bi-nationalen Lufttransportverbandes C-130 sowie die Strategic Airlift (Interim) International Solution (SALIS). Dann berichtete er über die Operation MINUSMA (Multidimensionale, integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali), eine UN-Mission mit dem Ziel, den Staat Mali zu stabilisieren, an der er persönlich in der Anfangsphase teilgenommen hat. Er schloss mit einer Bilanz Pro und Contra Multinationalität ab, in der das breitere Fähigkeitsspektrum in der Internationalität einem nationalen Fähigkeitsverlust gegenüberstand, insgesamt aber die Vorteile internationaler Zusammenarbeit überwogen.

Ihm folgte Herr Boller, der Aktivitäten seines Unternehmens von Missionssystemen für Einsätze bis hin zu Ausbildungsprogrammen in unterschiedlichen Ländern wie Großbritannien und Jordanien vorstellte. Insbesondere bei den Jordanischen Luftstreitkräften hat das Unternehmen als Teil der Ertüchtigungsinitiative der deutschen Bundesregierung für Jordanien ein gemeinsames Verständnis aller Beteiligten für grundlegenden Fragen für den Flugverkehr und das Fähigkeitsprofil von Piloten erreichen können und auf dieser Basis eine Pilotenausbildung etablieren können. Abschließend formulierte er - u.a. ausgehend von den positiven Erfahrungen seines Unternehmens und aus seiner Sicht bestehenden Mängeln in der Ausbildung und in der Einsatzvorbereitung (z.B. Mali), sowie fehlender Attraktivität in der Bundeswehr - einige Denkanstöße. Dabei nannte er neben anderen Punkten teilstreitkraftgemeinsame statt teilstreitkraftzentrierte Ausbildung und Übungen, stärkeren Realitätsbezug bei der Einsatzvorbereitung, pragmatische Lösungen zu Erhöhung der Flugstunden und damit Verbesserung der Attraktivität für das fliegende Personal.

Den Reigen der Kurzvorträge schloss Oberstleutnant Huber, der über seinen Einsatz im Rahmen der NATO-multinationalen enhanced Forward Presence Battlegroup in Litauen berichtete. Er schilderte zunächst Auftrag und internationale Gliederung des Verbandes und die notwendige interne Integration der beteiligten sieben Nationen sowie wichtige Aktivitäten im Einsatzzeitraum. Seine Erfahrungen fasste er in folgenden Punkten zusammen: Der multinationale Einsatz hat deutliche Fortschritte in der Interoperabilität erbracht, wobei Interoperabilität mehr ist als „nur Technik“. Sie verlangt u.a. Sprachfähigkeiten auch auf den unteren Ebenen, gemeinsames Verständnis für Führungsverfahren und Einsatzgrundsätze, kompatible Ausbildungssimulationssysteme sowie ein einheitliches Gefechtsstandkonzept und -ausstattung sowie die Integration in das System der übergeordneten Brigade und deren Kampfunterstützung. Sein Fazit: Wenn Multinationalität funktioniert, entsteht ein hoher Einsatzwert. Im Ergebnis ist eine deutliche Steigerung der Fähigkeiten des Personals der litauischen Brigade und der Truppen stellenden PzBrig 12 in Operationen verbundener Kräfte festzustellen.

In der anschließenden Diskussion wurden einige Aspekte vertieft und andere kritisch hinterfragt. Dabei wurden u.a. Zweifel an der tiefen Integration bis auf die Verbandsebene hinsichtlich der militärischen Effektivität eines solchen Verbandes im Vergleich zu einem national zusammengesetzten Verband diskutiert. Einigkeit bestand darin, dass eine tiefere Integration der Streitkräfte in der Europäischen Union eine feste Größe für die Zukunft ist.

Im Anschluss an die Jahrestagung bot der Jahresempfang Gelegenheit, dieses Thema und weitere ausführlich zu besprechen.